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Mehr als 30 Jahre Moorschutz
Bericht über Naturschutzarbeit im Klein Offenseth - Bokelsesser Moor
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Mehr als 30 Jahre Moorschutz

Bericht über Naturschutzarbeit im Klein Offenseth - Bokelsesser Moor

Hochmoore waren früher in Schleswig-Holstein - wie auch in der gesamten norddeutschen Tiefebene - weit verbreitet. Durch Torfabbau, Entwässerung und Kultivierung für die Viehwirtschaft gingen fast alle Moore verloren. Die Restmoore sind heute, wenn keine Renaturierungs-Maßnahmen stattfinden, zumeist stark entwässert oder überdüngt. Dadurch kam es weitestgehend zu einer Verbirkung (Birkenwald) der offenen Moorbereiche. Die wertvolle moortypische Vegetation wurde auf diese Weise bis auf winzige Reste zurückgedrängt.

 

Verbirkte Hochmoorparzelle (Foto: M. Lohmann)
Verbirkte Hochmoorparzelle (Foto: M. Lohmann)

Das Klein Offenseth - Bokelsesser Moor ist das Hauptbetreuungsgebiet des NABU Barmstedt. Es befindet sich etwa  10 Kilometer von Barmstedt entfernt im äußeren Nordwesten des Kreises Pinneberg. Bis 1984 lag das ehemals rund 500 ha große ehemalige Hochmoorgebiet entweder ungenutzt im Birkenwald-Stadium brach und wurde stark entwässert oder es war (zu etwa 80 %) landwirtschaftlich als Dauergrünland genutzt. Dennoch ist  die Torfstärke mit nachweislich bis zu 6 m noch immer außergewöhnlich dick. Von einzelnen Grabenstau-Maßnahmen des damaligen DBV (Deutscher Bund für Vogelschutz) aus Elmshorn abgesehen geschah damals in Sachen Naturschutz nichts.

 

Wie fing es an mit der Moorbetreuung?

 

1984 taten wir - eine kleine Gruppe Naturschützern - uns zusammen und gründeten eine Ortsgruppe des DBV für Barmstedt und Umgebung.  Von vornherein stand fest, dass zumindest das Kerngebiet des Offensether Moores, von Ortsansässigen ,Hellmoor‘ genannt, ein Hauptbetreuungsgebiet der Gruppe werden sollte. Zunächst übertrugen drei Landwirte die Betreuungsrechte für ihre Moorparzellen (immerhin zusammen über 1 ha groß) an unsere Gruppe.  Und die Untere Naturschutzbehörde (damals noch bekannt unter dem Namen Untere  Landschaftspflegebehörde des Kreises Pinneberg) gab ihr Einverständnis für eine Teilentbirkung.

 

Nun begann eine Gruppe von 8-10 Aktiven die nahezu verdrängten Heideflächen mit Bügelsägen vom Birkenbewuchs zu befreien.

 

Pause bei der Entbirkungsarbeit einer Heideflächen (Foto: Archiv)
Pause bei der Entbirkungsarbeit einer Heideflächen (Foto: Archiv)

Erstellung eines ersten Renaturierungs-Konzeptes für das Teilgebiet Hellmoor

 

Nach der Gründung der DBV-Gruppe im Dezember 1984 wurde es immer konkreter: Es wurde die erste Motorsäge angeschafft.  Die Elmshorner DBV-Freunden unterstützten uns bei den Arbeiten noch so manches Mal.

 

Weitere isolierte Moorparzellen kamen in die Betreuung des DBV/ NABU. Ein Renaturierungs-Konzept wurde unabdingbar.

 

Unter den Landwirten und in der Jägerschaft in der Umgebung gab es Skeptiker. Es regte sich auch Widerstand gegen unsere Aktivitäten.

 

 Im Jahr 1989 luden wir zu einer öffentlichen Veranstaltung in Groß Offenseth ein, um das soeben von uns fertiggestellte Renaturierungs-Konzept für das etwa 10 ha große zu Groß Offenseth zugehörige" Hellmoor" vorzustellen. Dabei wurde unsere Gruppe seinerzeit durch den damaligen Vorsitzenden der Kreisjägerschaft Hans Hackländer unterstützt.

 

Im Anschluss kam die Fleißarbeit.

 

Einige Landwirte waren noch skeptisch, nicht alle hatten unsere Veranstaltung besucht. Darum führte ich noch mehr als ein Dutzend Hausbesuche durch und konnte so Überzeugungsarbeit für das Entwicklungskonzept leisten. Die Flächeneigentümer unterschrieben die Zustimmungserklärungen. Das lediglich aus vier Seiten und einem einzigen Lageplan bestehende Konzept wurde schließlich von der Naturschutzbehörde und vom damaligen Landesamt für Naturschutz (heute Kurzbezeichnung LLUR) genehmigt. Die Forstbehörde widmete die als Wald eingestuften Moorparzellen in so genanntes Unland um. Damit stand der damals als notwendig erachteten Entbirkung (Entfernen der Birken) zusammenhängender Moorbereiche nichts mehr entgegen.

 

Umsetzung der Pflege-und Entwicklungsmaßnahmen im Offensether Moor und im Kirchenmoor

 

Ab 1990 setzte unsere Gruppe des inzwischen in Naturschutzbund (NABU) umbenannten Vereins ihr Konzept konsequent um.

 

Das Betreuungsgebiet wurde allerdings noch bis in das so genannte ,Kirchenmoor‘ ausgeweitet, dem nördlichen Rand des zu Bokelseß zugehörigen Bokelsesser Moores.

 

Dort konnte der NABU Barmstedt zwischenzeitlich Moorparzellen erwerben, und die Stiftung Naturschutz kam in den Besitz von ca. 1 ha Moorparzellen.

 

An den regelmäßigen Arbeitseinsätzen  waren und sind bis heute bis zu 15 ,Aktive‘ unserer Gruppe  beteiligt. Selbst in den extrem kalten Wintermonaten - teils mit Schneeverwehungen - wurde an den Sonnabenden gearbeitet.

 

Anfangs wurde unsere Gruppe auch von der DBV-Gruppe Elmshorn unterstützt.

 

Entbirkungsaktion im Winter  (Foto: Archiv)
Entbirkungsaktion im Winter (Foto: Archiv)

Entbirkung:

Mit nunmehr 2 eigenen Motorsägen konnten in dem für die Renaturierung festgelegten Teilgebiet zahlreiche Lichtungen geschaffen werden. In den Kerngebieten wurden viele der bis zu 13m hohen Birken abgeholzt. Die äußeren Birkensäume zu den Windrichtungen Ost und West ließen wir jedoch großräumig stehen, u.a. weil dort zahlreiche zum Teil selten gewordene Vogelarten wie der Pirol und der Kleinspecht brüten.

 

An einen Abtransport des Holzes war jedoch weitestgehend nicht zu denken, da das Renaturierungsgebiet kein intaktes Wegenetz mehr aufweist  Die wenigen Versuche, das Stammholz mit Traktoren und Anhängern über zugefrorenen Wiesen abzufahren, scheiterten meist kläglich. So musste der Busch notgedrungen an den Rändern zu großen Hafen aufgeschichtet werden.

 

Die Buschhaufen wirkten zunächst wie ein Magnet auf Rotkehlchen, Amsel und Singdrossel, die dort ihrem Brutgeschäft nachgingen. Das Stammholz wurde ebenfalls aufgeschichtet und diente beispielsweise als ,Sonnenbank‘ für Mooreidechsen uns Schlangen. Im Laufe der Jahrzehnte ist der Busch bis zur Unkenntlichkeit zusammengeschrumpft, und auch vom Stammholz ist kaum noch etwas zu erkennen. Teilweise hat sich sogar Heidekraut auf dem torfähnlichen Humus ausgebreitet.

 

Anstau der Gräben:

Unter anderem sind die Entwässerungsgräben an mehr als 40 Stellen mit Torfsoden aufgestaut worden, teilweise

verstärkt mit wasserundurchlässigen Planbordplatten. Sämtliche Staus wurden entweder in Eigenarbeit vom NABU oder von ABM-Gruppen aus Itzehoe oder des Kreises Pinneberg durchgeführt.

 

Stand der Entwicklung ab 2000 bis 2017:

Die wichtigsten Entkusselungen (Entfernen von Gehölzaufwuchs) und Staumaßnahmen waren bis etwa 2000 abgeschlossen. Zahlreiche Torfstiche sind überstaut (Regenwasserrückhalt durch Staumaßnahmen) und regenerieren zu wertvollen Moorbiotopen.

 

Seitdem beschränken sich die jährlichen Arbeitseinsätze im Wesentlichen auf die Pflege der Heideflächen und die Überwachung der Staus. Zwischenzeitlich hat die NABU-Gruppe Barmstedt einen ansehnlichen Maschinenpark mit mehreren Motorsensen und Motorsägen, die die Arbeit wesentlich effektiver machen als in den Anfangsjahren.

 

Seit 2009 sind wir dazu übergegangen, auf den Heideparzellen wieder einzelne Birken als spätere Schattenspender stehen zu lassen. Unsere Untersuchungen in einigen Altholzparzellen haben gezeigt, dass sich auch dort wertvolle Heidevegetationsstadien entwickeln und sich ohne mühsame und zeitaufwendige Pflegearbeiten mit dem Freischneider über eine langen Zeitraum  erhalten können.

 

Jährlich werden vom NABU Barmstedt etwa-8-10 Arbeitseinsätze im Moor durchgeführt. Seit über 10 Jahren finden jährlich zwei bis drei Gemeinschaftsaktionen mit dem 2003 gegründeten Betreuungsverein Offensether- und Bokelsesser Moor statt. Viele Mitglieder des Betreuungsvereins sind Landeigentümer oder Jäger aus dem Umkreis des Moorgebietes, einige Mitglieder sind gleichzeitig Mitglied im NABU.

 

Einsatz mit Bagger und Moorraupe:

Im Jahre 2000 haben wir damit begonnen, unsere Wiesen am Rande des Moores mit Hilfe von Großmaschinen zu vernässen. Meist wurde lediglich die Grasnarbe abgeschoben und der Boden an den Rändern zu Staudämmen verarbeitet. Auf diese Weise sind wertvolle Feuchtbiotope entstanden, die sich zum Teil bereits nach wenigen Jahren zu Moorregenerations-Stadien entwickelt haben. Dort brüten heute unter anderem Krickenten und Kraniche.  Außerdem tummeln sich jährlich zur Laichzeit  Hunderte von Moor-und Teichfröschen in den Moortümpeln. Der Erfolg ermunterte uns, auch ausgetrocknete Birkenmoor-Parzellen großräumig einzupoldern, um das Regenwasser in den Flächen zu halten. Wir ließen rund um die Parzellen 1 Meter hohe und 3-4 Meter breite Dämme ziehen. Die Maßnahmen wurden sowohl vom Kreis Pinneberg als auch vom Land Schleswig-Holstein mit EU-Mitteln finanziert. Letztlich waren es aber auch die vielen Spender der Gruppe Barmstedt, die es uns ermöglichten, kleinere Baggereinsätze ohne viel Bürokratie durchzuführen und erfolgreich abzuschließen.

 

Eingepolderte Moorparzelle 2001 (Foto: G. Schliemann)
Eingepolderte Moorparzelle 2001 (Foto: G. Schliemann)
Die Moorparzelle 2017 (Foto: H.-J. Raddatz)
Die Moorparzelle 2017 (Foto: H.-J. Raddatz)

Arbeitsstunden in der Natur:

Bis heute haben allein die Mitglieder des NABU Barmstedt mit seinem dazugehörigen Freundeskreis  mehr als 5000 Arbeitsstunden im Moor geleistet. Dabei ist nur der Zeitaufwand der praktischen Naturschutzarbeit berücksichtigt.  Abstimmungstermine, Planungsarbeit, Bestandsuntersuchungen usw. sind hier noch gar nicht mitgerechnet.

 

Flächenkauf:

Um das Moor großräumig zu vernässen und vor den negativen Einflüssen aus der Landwirtschaft zu schützen, kaufte der NABU Barmstedt (damals noch DBV) seit 1988 Grünlandflächen, die das nicht kultivierte Hochmoor begrenzen. Bis  2017 erwarb unsere Gruppe mit Zuschüssen überwiegend vom Kreis Pinneberg und daneben auch von der Stiftung Naturschutz S.-H. ca. 33 Hektar Land, darunter knapp 29 ha Moorwiesen und mehr als 4 ha Moorparzellen. Der NABU Elmshorn unterstützte uns darüber hinaus mit dem Kauf von weiteren 15 ha Moorgrünland. Der NABU besitzt somit derzeit insgesamt rund 48 Hektar Land im Moorgebiet und hat sich zusätzlich Betreuungsrechte von weiteren 15 Hektar Moorland gesichert. Die Stiftung Naturschutz ist zwischenzeitlich mit ca. 100 ha größte Landeigentümerin. Auch die Kreisjägerschaft sowie der Betreuungsverein Offensether Moor erwarben zusammen ca. 27 Hektar,  zumeist Grünland.

 

Wie gehen wir mit unseren Besitzflächen um?

 

Die größeren Grünlandflächen sind meist an Landwirte verpachtet, die in der Regel eine naturverträgliche (extensive) Beweidung durchführen. Die kleineren Grenzertragsflächen, die zumeist verzahnt an Moorparzellen grenzen, wurden fast ausschließlich vernässt  und mit Maschineneinsatz zu Moorbiotopen umgewandelt. Auf den vereinzelt brach gefallenen Wiesen haben sich wertvolle Brutplätze u.a. für Schwarzkehlchen, Rohrammer und den Feldschwirl entwickelt. Die eigenen Moorparzellen wurden sämtlich gemäß des oben beschriebenen Entwicklungskonzeptes entweder vernässt oder durch behutsames entkusseln zu Heidemoor-Parzellen umgewandelt.

 

Kraniche auf einer Moorwiese (Foto: M. Lohmann)
Kraniche auf einer Moorwiese (Foto: M. Lohmann)
Wollgrasfläche (Foto: M. Lohmann)
Wollgrasfläche (Foto: M. Lohmann)

Unterschutzstellung als FFH-Gebiet (NATURA- 2000-Gebiet)

 

Der NABU Barmstedt schlug das Gebiet 1999 als sogenanntes FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat-Gebiet) vor. Dem Vorschlag wurde zunächst nicht gefolgt. Daraufhin setzte der NABU Landesverband Schleswig-Holstein dieses Gebiet auf die so genannte ,Sonnenliste‘ und legte es im Paket mit anderen nicht berücksichtigten Gebieten in Brüssel als nachträgliche Vorschläge vor. Erst als das Land Schleswig-Holstein von der EU die Aufforderung erhielt, mehr FFH-Gebiete (aktuelle Bezeichnung: NATURA-2000) auszuweisen, wurde das Klein Offenseth-Bokelsesser Moor nachträglich mit Gültigkeit 2007 als solches unter Schutz gestellt.

Im Vorwege hatte der NABU Barmstedt 2003 für das gesamte Moorgebiet ein Entwicklungskonzept erarbeitet und unter anderem dem Landesamt für Naturschutz (LANU/ heute LLUR) zur Verfügung gestellt.

Für alle FFH-Gebiete des Landes S.-H. wurde mittlerweile ein sogenannter FFH-Manegementplan erarbeitet. Der NABU-Barmstedt wurde von Anfang an eingebunden.

Hans-Jürgen Raddatz

 

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